Fotos: Jens Niggemeyer, Nordhannoversche Zeitung
Großen Zulauf erfuhr die Neuauflage
des Workshops „Selbstverteidigung für Kinder und Jugendliche“
der RSG Langenhagen am 15. Februar, denn erstmalig galt dieses
Angebot ausschließlich Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen
Behinderung. Insgesamt 15 Teilnehmer zwischen elf und 20 Jahren kamen
aus Förderschulen in Hannover und Neustadt, um sich einen Eindruck
zu verschaffen, wie man sich effektiv und mit wenig Krafteinsatz
gegen einen möglichen Angreifer zur Wehr setzen kann. Doch bevor sie
die ersten Handgriffe und Tricks lernen durften, galt es, die Kinder
und Jugendlichen so weit wie möglich für das Thema
Selbstverteidigung zu sensibilisieren und ihnen zu verdeutlichen,
dass sie an diesem Tag nicht lernen würden, wie sie sich am besten
prügeln. Denn bevor sie sich selbst verteidigen können, müssen sie
lernen, überhaupt eine Gefahr zu erkennen, sich selbstbewusst zu
zeigen und sich verbal zu behaupten.
Herausforderung geistige Behinderung
Was heißt eigentlich
Selbstverteidigung? Wie gehe ich mit meiner Wut um? Was muss ich als
erstes lernen, um mich stark zu zeigen und einen Angreifer zu
verunsichern? Diese und viele weitere Fragen standen deshalb zu
Beginn des vierstündigen Workshops im Raum. Und Nils Thate,
Selbstverteidigungstrainer und Leiter der Bremer Organisation für
effektive Selbstverteidigung (OFES), gelang es, zusammen mit seinen
beiden Kollegen Bernd und Jascha, diese Fragen einfühlsam und für
die Kinder und Jugendlichen gut verständlich zu beantworten. Denn
nicht alle brachten die gleichen kommunikativen Voraussetzungen mit,
so dass der direkte Einzelkontakt und die individuelle Ansprache der
Kinder und Jugendlichen zu einem tragenden Aspekt des Workshops
wurden. „Für mich ist jeder Workshop spannend, weil ich nie weiß,
was auf mich zukommt, wie fit und in welcher Verfassung die
Teilnehmer sind“, sagte Nils Thate. Wer versteht was? Was fehlt
ihnen an Bewegungen? Wie reagieren die Kinder unter Bedrängnis, die
zu Trainingszwecken notwendig ist? Besonders bei Jugendlichen mit
unterschiedlichen Ausprägungen einer geistigen Behinderung müsse er
mit der ein oder anderen Selbstverteidigungstechnik vorsichtig sein.
„Manches kann ich ihnen nicht beibringen, weil sie nicht begreifen,
wann sie es tatsächlich anwenden dürfen und ihre Kraft oft nicht
steuern können.“ So müssen die Selbstbewussten und Kräftigen
häufig gebremst werden und lernen, ihre physischen Kräfte zu
dosieren, während die Ängstlichen durch kleine Erfolgserlebnisse
und mit viel Lob des Trainers ein ganzes Stück selbstbewusster
werden.
Dank der Einfühlsamkeit von Nils Thate
bekamen die Kinder und Jugendlichen schnell Vertrauen, und dank der
mitgereisten Betreuer, die nicht minder begeistert bei der Sache
waren und nicht zuletzt durch ihre eigene Motivation die Kids dazu
ermutigten, die einzelnen Abwehrtechniken immer wieder zu üben,
erlernten die Jugendlichen insbesondere die grundlegenden Techniken
recht schnell. Und vor allem hatte sie großen Spaß und ihre Neugier
und das Engagement wurde am Ende überdurchschnittlich groß, so dass
ein quirliges Tun und viel Gelächter in der Gymnastikhalle der
Integrierten Gesamtschule Langenhagen herrschte. „Mit diesem
Angebot können wir nun auch auf die speziellen Bedürfnisse und
Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen
Behinderung eingehen“, freute sich Hannelore Stein von der RSG
Langenhagen.
Spende sichert Fortbestehen der
Reihe „Selbstverteidigung für Menschen mit Handicap“
Eine Besonderheit des Tages war wenige
Stunden vor dem Workshop bereits über die Bühne gegangen. Jens
Bodenstein von der VGH Vertretung in Langenhagen hatte während des
Trainings für Erwachsene am Vormittag einen Spendenscheck in Höhe
von 2000,- Euro an die Verantwortlichen der RSG übergeben. Zusammen
mit dem Engagement der Förderer dieses einmaligen Angebotes für
Menschen mit Handicap, der Kroschke Stiftung für Kinder, der
Sparda-Bank Hannover-Stiftung, der Heiner-Rust-Stiftung und der
Nord/LB wird diese Spende das Fortbestehen der
Selbstverteidigungsworkshops und -trainings der RSG Langenhagen
gewährleisten.
Am Nachmittag dann zeigte sich einmal
mehr, wie gut das Konzept der Veranstaltungsreihe funktioniert.
Voller Begeisterung waren die 15 Teilnehmer bei der Sache. Selbst
schüchterne und zurückhaltende Kinder, wie die 13-jährige Maren,
folgten hochkonzentriert den Erklärungen von Nils Thate und
versuchten seine gezeigten Abwehrbewegungen korrekt nachzumachen und
zu verinnerlichen. Der 19-jährige Dennis hingegen lernte vor allem,
dass man sich nicht nur mit Taten sondern auch mit Worten verteidigen
und einen möglichen Angreifer in die Flucht schlagen oder zumindest
verunsichern kann. Und der zwölfjährige Manuel freute sich, dass er
nun weiß, wie er richtig reagieren muss, wenn er geschubst wird.
Heike Werner